Bewerben ohne Antwort: Wie wir Talente verlieren – und was Unternehmen jetzt ändern müssen
- Claudia P
- 27. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Juni

Ich erlebe es fast täglich im Coaching: Fähige, qualifizierte und engagierte Menschen, die irgendwann sagen: „Ich bewerbe mich nicht mehr – ich kann das nicht mehr ertragen.“
Warum?
Weil aus jeder Absage – oder schlimmer: aus jedem Schweigen – ein innerer Satz entsteht:
„Ich bin nicht gut genug.“„Ich werde übersehen.“
Und ehrlich: Ich verstehe das. Denn Absagen tun weh – vor allem, wenn sie leer sind. Ohne Kontext. Ohne Erklärung. Ohne jede Chance, zu lernen und zu wachsen.
❌ Keine Rückmeldung = Keine Entwicklung
Viele Unternehmen in Deutschland verzichten vollständig auf Feedback im Bewerbungsprozess. Die Standardabsage lautet sinngemäß: „Wir haben uns für jemanden entschieden, der besser zu uns passt.“ Juristisch sicher – menschlich ein Armutszeugnis. Denn:
🎯 Was das Fehlen von Feedback auslöst:
Wir verlieren Talente, die sich nur noch auf „sichere Matches“ bewerben
Wir fördern Selbstzweifel statt Selbstwirksamkeit
Wir zementieren eine Kultur, in der Scheitern nicht als Lernchance, sondern als Makel gilt
Wir sabotieren Diversity, weil besonders Frauen und marginalisierte Gruppen früher aufgeben (Studien belegen das deutlich)
📊 Warum Feedback entscheidend ist
70 % der Bewerber:innen würden sich erneut bewerben, wenn sie konstruktives Feedback erhalten hätten (Talent Board Candidate Experience Report)
Laut einer Studie aus Italien steigert individuelles Feedback nach Interviews signifikant die Selbstwirksamkeit und Motivation von Bewerber:innen
Frauen reagieren nach Absagen deutlich emotionaler und zurückhaltender als Männer – sie ziehen sich schneller zurück (GLAMOUR/LinkedIn-Analyse)
Über 50 % aller Bewerber:innen berichten, dass sie sich nach einem schlechten Bewerbungsprozess nicht mehr bei diesem Unternehmen bewerben würden (CareerArc)
Was Unternehmen konkret tun können – 5 Empfehlungen aus der Praxis
1. Standardfeedback professionalisieren
Auch wenn nicht für jeden Einzelfall:Formulieren Sie Feedback in Kategorien:
Stärken: „Ihre Führungskompetenz war überzeugend“
Abweichung: „Für diese Rolle waren internationale Projekterfahrung ein Muss“
Impuls: „Für ähnliche Positionen könnten XYZ hilfreich sein“
2. HR & Hiring Manager schulen
Nicht jede Führungskraft kann gut Feedback geben.Trainings zu wertschätzender, rechtssicherer Kommunikation zahlen sich mehrfach aus – auch intern!
3. Automatisierte Feedback-Bausteine mit Persönlichkeit kombinieren
Klingt technisch? Ist aber effizient.Beispiel: Bausteine + individuelle Notiz aus dem Interview = konstruktives Hybrid-Feedback.
4. Transparente Prozesse – mit Erwartungsmanagement
Ein einfaches:
„Wir geben Rückmeldung bis spätestens [Datum].“… hilft enorm. Menschen planen besser, fühlen sich respektiert – und vertrauen dem Prozess.
5. Absagen als Teil von Employer Branding denken
Wer respektvoll absagt, bleibt positiv in Erinnerung.Absagen sind kein Ende – sie sind ein Signal. Und oft ein Türöffner für spätere Rollen.
Mein Appell: Feedback ist kein Risiko – es ist Verantwortung
Statt sich juristisch abzusichern, braucht es mehr Mut zur Menschlichkeit. Denn:
Feedback ist kein Luxus – es ist Teil einer gesunden Unternehmenskultur.
Wenn wir von „Growth Mindset“ und „New Work“ sprechen, dann gehört auch radikale Offenheit im Recruiting dazu.
👂Was denkst du?
Sollten Unternehmen Feedback verpflichtend machen?
Wie geht dein Unternehmen mit Bewerberrückmeldungen um?
Und welche Feedbacks haben dich persönlich geprägt – im Guten wie im Schlechten?
Ich freue mich auf den Austausch – gerade mit Recruiter:innen, HR-Profis und Führungskräften.Denn wenn wir nichts ändern, verlieren wir Menschen lange bevor sie überhaupt eine echte Chance bekommen.
Comments